Interview „Der gelungene Übergang in den Ruhestand“

Gabriele Becker von der Münchner Agentur 
„Presse und Öffentlichkeit“ im Gespräch mit der Herausgeberin

Mal vorweg gefragt, wem fällt der Übergang vom Arbeitsleben in den Ruhestand leichter? Männern oder Frauen?

Angelika Gaßmann: Spontan hätte ich angenommen, dass Frauen der Übergang in den Ruhestand leichter fällt. Sie sind in ihren Biografien zum Beispiel durch Kinderpausen und den Wiedereinstieggeübter mit Übergängen. Die Ergebnisse der Studie „Transitions and Old Age Potential“ (TOP) zeigen, dass bei der Frage, wie zufrieden Menschen mit dem Übergang sind, diese von Männern und Frauen sehr unterschiedlich bewertet wird. Spannend ist, dass Frauen den Übergang allgemein belastender wahrnehmen. Generell fällt es Menschen – ganz unabhängig vom Geschlecht – leichter, wenn sie den Übergang freiwillig erleben und zudem finanziell abgesichert sind.

 

Jahrelang für das Unternehmen aufgeopfert. Dann kommt der wohlverdiente Ruhestand. Und vom Chef gibt´s zum Abschied einen Blumenstrauß und eine Urkunde. Ist das ein Klischee oder Wirklichkeit in deutschen Unternehmen? 

Angelika Gaßmann: Es gibt durchaus Unterschiede in der Art und Weise, wie Unternehmen den Abschied gestalten. Der Blumenstrauß, die Abschieds-reden und Geschenke sind dabei aber tatsächlich in der Regel die festen Bestandteile. Interessant ist es, dass Menschen, denen dieses Ritual aus den unterschiedlichsten Gründen verwehrt wurde, darunter sehr leiden. Ohne dieses Übergangsritual werden aus deren Perspektive all die vielen Arbeitsjahre entwertet. Das bedeutet, dass selbst die übliche Praxis mit Blumenstrauß und Abschiedsrede eben doch auch Wertschätzung und Anerkennung für das Geleistete transportieren und für einen gelungenen Abschluss wichtig sind. Gleichzeitig wird sehr deutlich, dass in den meisten Unternehmen das Bewusstsein dafür fehlt, dass es um die Würdigung der Lebensarbeitsleistung eines Menschen geht.

 

Was empfehlen Sie Menschen, die kurz vor dem Ende ihres Arbeitslebens stehen, als wichtigsten Schritt, damit der Wandel gut gelingt?

Angelika Gaßmann: Ich würde ihnen raten: „Sei Gestalter:in deines Übergangs.“ Häufig erlebe ich im Blick auf das Ende des Arbeitslebens selbst bei gestandenen Führungskräften, eine seltsame Passivität. Es scheint so, als ob sie den Übergang eher über sich ergehen lassen, als selbst zu gestalten. Wenn ich meinen Übergang jedoch gestalte, erfahre ich mich wieder in meiner Selbstwirksamkeit und bin zufriedener. Dabei ist es aus meiner Sicht besonders wichtig, sich mit dem auseinanderzusetzen, wie ich mein Arbeitsleben gut beenden möchte. Viele der Ratgeber auf dem Markt legen den Fokus zu einseitig auf das, was nach dem Eintritt in den Ruhestand kommt. Wenn das Ende der längsten Lebensphase, sprich, der Erwerbsphase, nicht gelungen ist, ist der Start in den neuen Abschnitt belastet. Konkret heißt das für sich rechtzeitig zu klären: Was will ich alles noch angehen? Wie will ich meine Arbeit gut abschließen? Wann will ich gehen? Wie stelle ich mir meinen Abschied vor?

 

Der Abschied von Führungskräften bedeutet auch für Unternehmen oft weitreichende Veränderungen, denn die Zusammenarbeit im Unternehmen kann sich durch das Ausscheiden eines Mitarbeiters erheblich verändern. Wie sollte sich ein Unternehmen darauf vorbereiten?

Angelika Gaßmann: Der Eintritt in den Ruhestand ist planbar. Diese Chance sollten Unternehmen nutzen und frühzeitig ein professionelles Übergangsmanagement implementieren. So schaffen sie sich und dem Gehenden den Raum, die anstehenden Veränderungen zu gestalten und die Unsicherheiten, die mit dem Übergang verbunden sind, zu minimieren. Eines der zentralen Risiken, ist die Frage, ob rechtzeitig geeignete Nachfolger:innen gefunden werden können. Selbst interessante Positionen sind häufig aufgrund des Fachkräftemangels nur schwer qualifiziert zu besetzen. Nicht selten ziehen Wechsel nicht nur in den oberen Führungsebenen Unruhe und Unsicherheiten nach sich, sondern auch auf den nächsten Ebenen. Je geplanter und transparenter Unternehmen diesen Prozess begleiten, umso geringer können sie diese Risiken halten. Bei Schlüsselpositionen empfiehlt es sich, drei Jahre vor dem geplanten Ausscheiden in den Übergangsprozess einzusteigen.

 

Sie haben ein Buch für die Zeit des Abschieds geschrieben. `Offboarding`. Was hat Sie zu diesem Thema inspiriert und wie kam es zu diesem ungewöhnlichen Titel?

Angelika Gaßmann: Das Thema „Onboarding“ ist gerade sehr populär. Man kann viel darüber lesen, was sich Unternehmen alles einfallen lassen, um neue Mitarbeiter:innen „an Bord“ zu holen, gut einzuarbeiten und an das Unternehmen zu binden. Nicht gelungene Stellenbesetzungen sind teuer. Das ist den Unternehmen bewusst, zumal wenn der Bewerbermarkt so umkämpft ist wie gerade. Der Titel des Buches nimmt dies auf und will deutlich machen, dass das „Offboarding“ von Mitarbeiter:innen genauso wichtig ist, wie das „Onboarding“. Gleichzeitig ist es mir wichtig, mit dem Titel zu signalisieren, dass es nicht nur darum geht, wie ich als Einzelne:r meinen Abschied gestalte. Gute Übergänge in den Ruhestand zu gestalten, ist eine wichtige Aufgabe der Unternehmen, die sich auszahlt.